Lippeportal - November 2025

Black Friday: Wenn der 12-Volt-Kompressor plötzlich mein Selbstwertgefühl aufpumpt

November 2025

Es ist wieder soweit: Black Friday. Dieses mystisch-schwarze Einkaufsritual aus der Welt der unbegrenzten Werbebanner hat sich nun auch endgültig bei uns eingenistet wie der asiatische Marienkäfer in der Fensterdichtung. Man weiß nicht genau, wann er kam, aber er geht nicht mehr.
Noch vor zehn Jahren war "Black Friday" für mich ein Begriff aus amerikanischen Kriegsfilmen oder ein düsterer Tag in der Schweinemast. Heute bekommt man schon Anfang November E-Mails mit Betreffzeilen wie: "42 % auf alles - sogar auf Ihre Grundbedürfnisse!"
Da wird der Mensch schwach. Vor allem, wenn er Lipper ist. Denn sparen können wir. Kaufen auch. Man nennt es hier schlicht: Vorratshaltung mit Rabattbezug.
In den Einkaufszentren tobt also der stille Wahnsinn. Menschen schieben sich durch Gänge, auf deren Fußboden noch die Klebereste von Corona-Abstandsmarkierungen haften, und greifen entschlossen zu Produkten, von denen sie nicht mal wussten, dass es sie gibt. Und das zu Recht.
Ich selbst stand neulich vor einem Hochleistungs-Multifunktions-Schmutzwasser-Tauchpumpen-Staubsauger mit sieben Aufsätzen und dachte: "Eigentlich brauche ich sowas gar nicht. Aber 59,99 ist ein Wahnsinnspreis." Ein innerer Dialog entbrannte: Brauch ich das? Nein. Könnte ich es brauchen? Auch nein. Aber ist es billiger als letzte Woche? Absolut. Gekauft!
So wird es gemacht in Lippe. Rational? Nein. Regional? Vielleicht. Emotional?
Zu 100 %. Es geht nicht um Bedarf, sondern um Besitzverteidigung auf Vorrat. Man weiß ja nie, wann der nächste Heizlüfter-Krieg ausbricht.
Und es ist ja nicht so, dass es Alternativen gäbe. Der Einzelhandel vor Ort versucht sich mit eigenen Rabatten. "10 % auf alles, was schon reduziert ist und was wir da haben". Aber im Internet klickt es sich einfach leichter. Und günstiger. Und sinnloser.
Ich habe mir zum Beispiel am letzten "Cyber Weekend" eine Powerbank mit integriertem Heizkissen gekauft. Für den Fall, dass mein Smartphone friert.
Natürlich gibt es auch die, die sich über Black Friday empören. Der Kapitalismus! Die Ausbeutung! Die Wegwerfgesellschaft! Aber die schreien nur solange, bis Amazon plötzlich die Bluetooth-Schneeschaufel mit Licht und Radiofunktion um 70 % reduziert. Dann hört man nur noch: "Wäre ja dumm, wenn man es nicht nimmt."
Mein Nachbar hat sich ein portables Solarpanel gekauft. Er hat keinen Balkon, kein Wohnmobil, keinen Garten. Aber: Es war "deutlich unter dem Idealo-Vergleichspreis".
Ich habe ihm gratuliert, und schweigend ein Kombiangebot mit Thermounterwäsche und Luftentfeuchter bestellt. Man weiß ja nie, wann wieder Stromausfall ist. Oder ein globaler Sockenengpass.
So kämpfen wir uns also durch den November: bewaffnet mit Gutscheincodes, Payback-Punkten und dem flauen Gefühl, eigentlich gar nichts gebraucht zu haben, aber trotzdem besser vorbereitet zu sein als je zuvor. Auf was? Das weiß niemand. Aber wir haben jetzt alles, um es zu überleben. Und das ist doch am Ende das Wichtigste. Oder?

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