Lippeportal - Juni 2025

Mit dem Aufsitzrasenmäher ins Freibad

Juni 2025

Kaum hat der Mai seinen letzten Flieder abgeschüttelt und der Thermostat schielt zweistellig nach oben, da verwandelt sich der deutsche Mensch in zwei völlig gegensätzliche Kreaturen: Gartenkrieger und Freibadtourist. Man könnte meinen, sie seien miteinander verwandt, doch das eine Wesen trimmt penibel die Hecke mit Lasermessgerät und Wasserwaage, während das andere mit Pommesfett an den Fingern über chlorierte Fliesen rutscht wie eine Robbe mit Sonnenbrand.
Beginnen wir im Garten. Dort, wo einst ein natürlicher Wildwuchs das Auge erfreute, herrscht jetzt wieder die Diktatur der Rasenkante. Es wird vertikutiert, geharkt, gedüngt, geschnitten und entmoost. Der Sommer ist zurück, und der Männer erfreuen sich am Multifunktions-Akkuwerkzeug. Sie tragen Funktionskleidung in der Farbe "Nassbeton" und riechen nach igendwie nach WD-40.
Der Garten, eigentlich als Oase der Erholung gedacht, wird zum Schlachtfeld gegen die Natur. Löwenzahn gilt als Staatsfeind Nr. 1, Moos ist der Taliban des Rasens. Und wehe, der Nachbar mäht zehn Minuten nach Ihnen... das ist ein Affront, eine Herausforderung. Es fehlt nur noch die diplomatische Note auf dem Komposthaufen, der selbstverständlich von einer Horde kunstvoll bemalter Gartenzwerge bewacht wird. Doch kaum ist die letzte Buchsbaumzelle zurechtgestutzt, wirft sich derselbe Mensch in eine zu enge Badehose mit Anker-Print und ruft freudig: Ab ins Freibad! Dort begegnet uns der zweite Archetyp des Juni-Menschen: der sonnenverbrannte Badelatschen-Existenzialist. Schon ab 19 Grad Außentemperatur werden Liegen belagert wie Brückentage im Kalender. Die deutsche Familie rückt an. Mit Picknickdecke, Melone, Wassermelone, noch mehr Melone, und einer Tupperdose, die aussieht wie ein Waffenarsenal voller Buletten.
Die Freibadordnung wird ausgelegt wie die Verfassung eines Kleinstaates. "Nicht vom Beckenrand springen" heißt in Wirklichkeit: "Mach einen Köpper, aber tu so, als wär's ein Unfall." Und die Dusche vor dem Schwimmen wird gerne nur als unverbindliche Empfehlung gesehen. So ist Fußpilz manchmal das kleinste Übel, dass da mit dem Badegast ins Wasser steigt. Dass sind Momente, in denen man die Chlorzufuhr gerne leicht erhöhen würde.
Erst schwitzt man im Garten, um dann im Freibad zu frieren. Man schneidet Hecken, die man hasst, und liegt neben Menschen, die man nicht kennt, aber aufgrund ihrer Bluetooth-Box nun musikalisch sehr gut einzuschätzen weiß. (Schlager-Techno-Remix 2022. Schlimmer als Moos.)
Aber so ist der Juni. Eine Mischung aus Sonnencreme, Giersch und Gruppendusche. Und während wir in Badelatschen durchs Leben stolpern, bleibt nur ein Trost: Der Rasen wächst nach, aber die Freibadpommes - die bleiben für immer im Herzen.
Ich jedenfalls genieße den Nachmittag am Beckenrand mit einer gemischten Tüte voller Kindheitserinnerungen und hole mir am Abend einen Aufsitzrasenmäher aus dem Baumarkt meines Vertrauens. So kann ich die Grünfläche meiner 87 qm große Ländereien hinter dem Haus auf die vorschriftsmäßige Länge stutzen, und im Anschluss wie ein Cowboy Richtung Sonnenuntergang fahren. Neben mir ein Gartenzwerg in Badehose.

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