Einmal im Jahr, wenn die Natur in zartem Grün explodiert und das öffentliche Leben noch halbwegs unverdächtig vor sich hin brummt, zieht eine uralte Karawane durch Parks, Felder und Wälder: Männergruppen, meist von der Lebensmitte nicht unberührt, ziehen lärmend, grölend und schwer beladen mit Bierkästen und Selbstzweifeln durch die Gegend. Willkommen zum Vatertag, dem einzigen Feiertag, an dem die Evolution kollektiv rückwärts läuft.
Man kann sich die Entstehung dieses Brauchs nur als historisches Missverständnis erklären. Irgendwann zwischen der industriellen Revolution und dem letzten Rest Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche muss ein Mann gesagt haben:
"Wie ehre ich meine Vaterschaft am besten? Indem ich mich am hellichten Tag betrinke und einen klapprigen Bollerwagen hinter mir herziehe!" Die anderen nickten, öffneten eine Bierflasche mit den Zähnen und der Rest ist Geschichte.
Heute, im Jahr 2025, ist daraus eine Art Pilgerreise geworden. Allerdings eine ohne Ziel, ohne Andacht und dafür mit erhöhtem Cholesterinspiegel.
Man erkennt die Veteranen des Vatertags an bestimmten Merkmalen:
Zur Grundausstattung gehört ein Bollerwagen, dekoriert mit bunten Girlanden, die aussehen, als hätten sie ihren letzten Einsatz beim Kindergeburtstag von 1997 gehabt. Alle Teilnehmer tragen T-Shirts mit Sprüchen wie "Vadder der Lage" oder "Promille statt Probleme". Die Körpersprache dieser Männergruppe, signalisiert: "Ich könnte jederzeit einen Baum umarmen. Oder anpöbeln."
Die Parade der Enthemmung ist ein Marsch mit strengen traditionellen Regeln. Man startet gegen zehn Uhr morgens mit ehrlicher Absicht ("Nur eine kleine Runde, Leute, später will ich noch den Grill anschmeißen!") und endet um 16:37 Uhr in einem emotionalen Offenbarungseid, bei dem mindestens ein Teilnehmer weinend seine Jugendliebe anruft.
Immer dabei: die unvermeidliche Bluetooth-Box, die ein Best-of der deutschen Partykultur ausstrahlt. Irgendwo zwischen "Cordula Grün" und "Westerland".
Der Weg ist das Ziel, und das Ziel ist in der Regel ein Ort, an dem man weder sitzen noch stehen möchte, etwa eine matschige Wiese neben einem Abwasserkanal. Dort werden dann hochphilosophische Gespräche geführt, etwa:
"Wenn du ein Tier wärst, wärst du dann lieber ein Flusspferd oder ein Dackel?"
Natürlich gibt es die stillen Momente, wenn einer, der noch nüchtern genug ist, in den Himmel blickt, die Lerchen singen hört und sich fragt, wann genau der Vatertag eigentlich in einen rollenden Junggesellenabschied ohne Bräutigam entartet ist.
Und manchmal, ganz selten, wird dann der Bollerwagen abgestützt, eine Flasche Mineralwasser gezückt und der Satz gesagt, der die ganze Würde eines Volkes retten könnte: "Vielleicht trinken wir jetzt mal 'ne Runde Wasser, Jungs." Doch meistens ist dieser Heldenspruch schneller vergessen als der eigene Haustürschlüssel.
Der moderne Vatertag ist eine atemlose Reise durch die Abgründe der Selbstüberschätzung, eine Ode an den Bierbauch und eine Verbeugung vor der unkaputtbaren Fähigkeit des Menschen, aus jeder schönen Idee ein feuchtfröhliches Desaster zu machen. Aber vielleicht ist das genau der Punkt: An einem Tag, an dem angeblich die Väter geehrt werden, zeigt sich die Menschlichkeit in ihrer reinsten Form. Stolpernd, laut und hoffnungslos durstig.
Man kann nur hoffen, dass wenigstens der Bollerwagen heil nach Hause kommt.
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