Ja, Halloween ist vorbei, und die Kürbisse beginnen allmählich zu schimmeln, aber wenn wir ehrlich sind, braucht die Welt dieses Jahr keine Gruselfeste mehr. Das echte Leben überbietet mittlerweile jeden Horrorfilm und das oft ganz ohne die charmante Beleuchtung eines Kürbisses oder das beruhigende Rascheln von Süßigkeitenverpackungen.
Nehmen wir zum Beispiel die Tatsache, dass der Dezember bevorsteht und sich eine bedrohliche Gestalt am Horizont abzeichnet: der Adventskalender! Das klingt erstmal harmlos, ist aber für viele der wahre Horror. Jeden Tag eine kleine Tür, hinter der sich nicht etwa ein Stück Schokolade, sondern eine neue Sorge versteckt. "Oh, heute ist der 1. Dezember, da versteckt sich ein Anruf vom Steuerberater", "Oh, der 5. Dezember, der Freundeskreis möchte noch ein Wichtelgeschenk", oder "Oh, der 15. Dezember - der Schwager kommt zu Besuch". Gruselig, aber Gott sei Dank noch ein paar Tage hin!
Und was ist mit der politischen Bühne? Sie gleicht mittlerweile einem Zombie-Apokalypse-Film: immer die gleichen untoten Diskussionen, die einfach nicht totzukriegen sind. Egal, wie oft man sie erledigt glaubt, sie kommen immer wieder. Inflation, Klimawandel, Wahlversprechen - als wären sie die untoten Zombies des politischen Diskurses. Man würde gerne weglaufen, aber es gibt kein Entkommen. Und da hat uns die Popkultur belogen: In den echten Horrorszenarien kommen die Zombies nicht langsam auf dich zu. Sie twittern, sie veranstalten Talkshows, und sie rennen direkt in die Tagesschau.
Auch im digitalen Gruselkabinett geht's munter weiter. Seit wann ist das Internet eigentlich so gruselig geworden? Wer sich früher vor Geistern im Keller gefürchtet hat, hat heute panische Angst vor der Kommentarspalte unter einem YouTube-Video. Trolle, Bots und Hater - der Stoff, aus dem Albträume sind. Man scrollt sich nichtsahnend durch Social Media, und plötzlich steht er vor dir: der Shitstorm! Aus dem Nichts, aber mit der Wucht eines entfesselten Teenie-Schreckens in einem Slasher-Film. Was früher Freddy Krueger war, ist heute ein viral gehendes Twitter-Hashtag. Er greift in deine Träume - oder schlimmer, in deinen Chatverlauf.
Selbst im Alltag verstecken sich Gruselmomente: Wenn man morgens den Kühlschrank öffnet und feststellt, dass der Joghurt seit zwei Wochen abgelaufen ist. Oder wenn der DHL-Bote zum vierten Mal nicht klingelt, sondern einfach nur den Zettel hinterlässt. Der wahre Horror ist ja heutzutage, dass man den Lieferstatus online verfolgt, und trotzdem nichts bekommt.
Vielleicht ist das wahre Halloween nicht das mit den Kostümen, sondern das, was wir tagtäglich erleben. Die Frage ist, ob uns das Gruseln irgendwann abhärtet und wir einfach mit Vampirzähnen ins Büro gehen, weil das sowieso keinen Unterschied mehr macht. "Oh, Frau Müller, heute Vampir? Ich bleibe einfach bei meinem Zombie-Kostüm. Passt gut zum Homeoffice."
Bis dahin bleibt uns nichts anderes übrig, als durch diese Geisterbahn zu schlendern und dabei so zu tun, als wäre das alles ganz normal. Und wer weiß, vielleicht versteckt sich hinter der nächsten Ecke ja doch noch etwas Süßes.
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