Es ist 23.42 Uhr. Die Nacht vor dem Drucktermin. Ich sitze vor meinem Laptop und suche nach einem Thema. Es soll spitzfindig, lehrreich, lustig, makaber und möglichst missverständlich sein. Ach ja. Das wichtigste: ca. 2.000 Buchstaben. Oder Leerzeichen. Oder mindestens fünf Ausrufezeichen!!!!!
23.44 Uhr: Das Zifferblatt meiner analogen Schreibtischuhr scheint mich anzugrinsen.
23.45 Uhr: Mir gehen so viele Dinge durch den Kopf, die mir den Schlaf rauben. Darum schreibe ich ja auch nachts. Energiepreisexplosion. Krieg im Allgemeinen. Inflation. Ich hatte noch kein Abendessen. Und wo zum Teufel hat unser Hund meinen linken Schuh hingeschleppt. Meine Stirn liegt in Falten.
23.47 Uhr: Jetzt wird es aber Zeit. Text, Text, Text. Vielleicht was zu den immer noch hohen Corona-Zahlen, und dass in meiner direkten Umgebung ständig Menschen erkranken. Einige haben tatsächlich auch Monate nach ihrer Genesung noch Beschwerden. Aber Nein. Das will keiner mehr hören oder gar lesen. Würde auch die Laune im voll besetzten Reisebus oder in der Warteschlange am Flughafen trüben.
23.51 Uhr: Erstmal einen Kaffee und ein Alice Cooper Video auf YouTube. "Your cruel device. Your blood, like ice. One look, could kill. My pain, your thrill." Oh verdammt. Der Song ist super, aber tatsächlich Gift für meine Produktivität. Denn laut singend und performend durchs Büro zu tänzeln, lässt sich irgendwie nicht mit dem Bedienen meiner Tastatur vereinbaren. Und der Kaffee ist jetzt auch großflächig verteilt. Zeit für ein Getränk mit Kronkorken. Oder ne Dose Prosecco. Ach du Scheisse... Mitternacht.
Soll ich vielleicht was über meine Verwunderung schreiben, dass wir bei der Klimarettung aus moralischen Gründen grad mal ne Pause machen und wieder mehr Kohle verfeuern? Ne, das gibt nur 'nen Shitstorm. Von beiden Seiten. Wie immer.
Es ist 5 nach Zwölf. Die Zeit ist endgültig abgelaufen. Für das Klima. Für den Frieden. Für die Chance auf eine späte Pizzabestellung. Verdammt. Und noch immer kein brauchbarer Text. Was soll's. Kaffee ist endgültig keine Option mehr und auch Bier oder Blubberbrause sind keine echten Alternativen. Jetzt müssen härtere Geschütze aufgefahren werden. Passend zur Steigerung der letzten Nebenkostenabrechnung irgendwas mit über 40%.
Juchee die Waldfee. Es ist fast 2 Uhr. In meinen Lautsprechern hatte Alice Cooper Besuch von Erasure, Dr. Alban und dem Teletubbi-Song. Oder war es der kotzende Frosch aus der Klingeltonwerbung zur Jahrtausendwende? YouTube hat aber auch wirklich alles auf Lager.
Vielleicht ist das ja auch genau die richtige Herangehensweise an die dringlichen Probleme unserer Zeit. Wenn Dich die Sorgen nicht schlafen lassen, dann nutz die Zeit für eine Party. Die Dauerbrenner und One-Hit-Wonder der letzten 50 Jahre Musikgeschichte laut aufdrehen, und dazu ein kühles Getränk und ein paar warme Gedanken. Wenn jetzt noch irgendwer ne Pizza liefern würde, wäre es perfekt. Oder wie Harald Juhnke schon zu sagen pflegte: Die Definition von Glück? Keine Termine und immer leicht einen sitzen!
Dem schließe ich mich an.
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