Bislang hatte ich ja noch die naive Hoffnung, dass die aktuelle Krisenberichterstattung aus Osteuropa ein reines Ablenkungsmanöver unserer Medien ist, um von den unterirdischen TV-Formaten abzulenken, die unsere Zivilisation ebenso bedrohen, wie ein durchschnittlicher Marschflugkörper. Das halten Sie für übertrieben und extrem geschmacklos? Da haben Sie vermutlich recht, und es ist nur der Beweis dafür, dass ich wohl eher aus Versehen zu viel Trash-TV gesehen habe. Immer wieder hatte ich die Hoffnung, dass irgendwann Schluss ist, nach dem "Dschungelcamp" mit zurecht vergessenen B-Prommis, "Bauer sucht verzweifelte Frau", den "Messi-Wohnungs-Entrümplern" und weiteren Folgen des "Bachelors" mit einer Horde besamungswilliger Hartgeld-Hostessen. Aber nein! Sogar journalistisch geführte Talkshows sind durch die abnehmende Qualität ihrer Dumpf-Plauder-Gäste in einer intellektuellen Abwärtsspirale gefangen. Jetzt gib es sogar eine Show, in der weitestgehend unbekannte "Prommis" zusammen mit ihren Ex-Paarungsgenossen diverse Abenteuerspiele bestehen müssen. OMG! Was kommt da als nächstes auf uns zu? Vielleicht eine Doku-Gameshow, in der sich arbeitslose Krabbenfischer zusammen mit dem Yogalehrer ihrer Cousine in einer Berghütte einsperren lassen, um zur besten Sendezeit eine Runde MauMau zu spielen?
Da erzählen wir unseren Kindern, wie wichtig ein Abitur und lebenslanges Lernen ist, und dann verdummblöden wir diese Hoffnungsträgergeneration mit schwachsinnigen Sendungen, damit alle schön auf ihrem Sofa sitzen bleiben und auf irgendeinen Bildschirm starren. Innerlich wünscht man sich ja schon beinahe eine Zombi-Apokalypse. Da gehen die angeschimmelten Untoten wenigstens mal vor die Tür, anstatt mit der Fernbedienung in der Hand in ihrer eigenen Pupswolke zu sitzen. Gott sei Dank dürfen wir uns ja schon bald über eine deutliche Reduzierung der Corona-Einschränkungen freuen, so dass wir auch wieder unbeschwert Stadtfeste, Konzert- und Theaterbesuche, Partys oder auch einfach eine Kugel Eis im Stadtpark genießen können. Echte Menschen, echte Kontakte und vielleicht sogar sowas wie niveauvolle Gespräche. Ich hoffe nur, dass mein Sprachzentrum nicht nachhaltig durch all den intellektuellen Sondermüll im TV gestört wurde.
Aber kommen wir nochmal auf die militärische Eskalation im Osten zurück. Offensichtlich habe verbale Drohgebärden, wirtschaftliche Sanktionen und auch ein verständnisvoller Stuhlkreis nicht soviel gebracht und ließen Putin sichtlich unbeeindruckt. Vielleicht sollten wir tatsächlich auch nicht erwägen, unsere zwei fahrbereiten Panzer zur Unterstützung in die Ukraine zu schicken. Lasst uns lieber unsere Sendeantennen Richtung Moskau ausrichten. Befeuern wir die Russen mit ein paar alten Folgen aus dem "Reality-TV". Das könnte tatsächlich abschrecken.
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