In meiner Jugend (also im letzten Jahrtausend) war es spannend, das neue Karussell auf der Kirmes auszuprobieren, als Teenager am Baggersee zu knutschen, oder mit dem Moped in die "große Stadt" zu fahren. Zum Entsetzen der Eltern "Die Ärzte" und anderen Punkrock zu hören, und auf Partys unter erheblichem Sangria-Einfluss über die Wichtigkeiten des Lebens zu philosophieren. Also ob nun Paul Breitner oder Rummenigge der bessere Fußballer war. Handys, Internet und Privatfernsehsender waren noch nicht erfunden, und Computerspiele beschränkten sich im Wesentlichen auf Pacman und Tetris. Freunde traf man nicht im Chat, sondern an der Tischtennisplatte auf dem Schulhof.
Wenn ich meinem 12-jährigen Sohn davon erzähle, guckt er mich ungläubig an und fragt mich auf uncharmante Weise: "Boah, wie alt bist du denn eigentlich?"
Tja, schon ziemlich. Fast ein halbes Jahrhundert liegt hinter mir, und trotzdem blicke ich immer noch mit weit aufgerissenen Teenageraugen in die Welt, um die vielen fantastischen Dinge zu sehen, die es zu entdecken gibt. Und obwohl ich schon viel gesehen habe, scheint es immer mehr Neues zu geben, das nur auf mich und meinen Entdeckerdrang wartet.
Ich wünschte, auch die heutigen Teenager könnten die Leichtigkeit erleben, mit der unsere Generation ins Leben gestartet ist. Aber leider habe ich den Eindruck, dass mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten, der eigene Aktionsradius eher eingeschränkt ist. Heute hat man keine 3 bis 8 Freunde, sondern 500 Follower auf irgendwelchen Social-Media-Plattformen. Irgendwie dann doch ein bisschen einsam.
Rumknutschen auf Partys fällt mit Maske eher schwer, und Punkrockkonzerte sind in letzter Zeit ja auch eher Mangelware, was nicht nur daran liegt, dass "Die Ärzte" heute selbst zu den netten älteren Herren gehören. Trotzdem immer noch cool.
Die gesamte Sturm- und Drang-Zeit des Ausprobierens, in der Jugendliche entdecken, wer sie sind und wer sie werden wollen, ist durch Lockdowns, Abstandsregeln und rein virtuelle Kommunikation dermaßen kastriert worden, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache. Früher quatschten wir hormongesteuert einfach alles an, was irgendwie Puls hatte. Heute heißt es auf Tinder: wisch und weg. Notfalls gab es Backpfeifen statt einem Shitstorm und Dislikes. Echtes Sozialverhalten lernt man nicht im Tutorial, Menschenkenntnis nicht bei reinen Videokonferenzen, und auf dem Kopfhörer ist Punkrock ohne Bier, Schweiß und einem gepflegten Pogo, nur noch laute Musik.
Gott sei Dank, haben wir jetzt wieder (wenn auch noch eingeschränkt) die Möglichkeit, uns wieder persönlich zu begegnen. Ich freue mich darauf und hoffe, dass auch Ihr das echte Leben noch nicht ganz verlernt habt.
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