Na? Haben Sie dieser Tage auch Ihr Facebook-Profilbild auf Regenbogenfarben umgestellt oder protesthalber mal ein Fähnchen geschwenkt? Nur falls Sie jetzt nicht mehr wissen, worauf ich anspiele: Die Diskussion um eine Regenbogenbeleuchtung des Stadions in München während eines EM-Spiels. Als Zeichen für Toleranz. Als Protest dagegen, dass der ungarische Gesetzgeber anscheinend nicht so tolerant gegenüber Homosexuellen ist, wie wir das gerne hätten. Ja, auch ich finde es empörend. Empörend, dass wir immernoch darüber diskutieren müssen. Empörend, dass jetzt auch mal einige Heteros so richtig schön Flagge gezeigt haben, nur um danach gleich wieder zum Tagesgeschäft zurückzukehren. Nächste Woche kommt die Flagge wieder runter. Dann empören wir uns wieder übers Robbenschlachten oder über ein dämliches Video vom Wendler. Mal sehen.
Als alter weißer Hetero-Mann bin ich vielleicht zu unsensibel dafür, wie wichtig das Thema ist. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es mir immer egal war, was wer in seinem Schlafzimmer treibt, und ob derjenige dabei Lederunterwäsche oder einen Einhornschlafanzug trägt. Ich habe Freunde fast jeder mir bekannten sexuellen Ausrichtung, und einige davon haben beides im Schrank. Ich habe diese Freunde nie nach Ihrer Sexualität bewertet (außer ich war daran beteiligt), unter "Artenschutz" gestellt oder bei Witzen geschont. Eben weil sie für mich ganz normal sind.
Es ist gut, wenn man für etwas kämpft. Aber dann auch bitte konsequent!
Wenn ich mitbekomme, dass in meiner Lieblingsbäckerei regelmäßig Homosexuelle, Behinderte oder meinetwegen auch Norweger diskriminiert werden, dann sag ich nicht: "Entschuldigung liebe Backwarenfachverkäuferin, bitte lassen Sie das und geben Sie mir bitte 10 Körnerbrötchen." Nein, ich sage: "Halt die Fresse, schäme Dich und dann entschuldige Dich, oder ich kaufe hier nicht mehr ein!"
Aber was machen die Fußballfans dieser Nation? Sie schwenken ihr Fähnchen, sind sehr empört und genießen die Spiele. Und auch die Nationalmannschaft ist leider nicht viel besser. Der Teufel pfeift und sie tanzen dazu.
Nicht das wir uns falsch verstehen. Der Teufel ist nicht die ungarische Mannschaft und noch nicht mal der ungarische Ministerpräsident. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung und sei sie noch so dumm oder weltfremd. Das liegt immer im Auge des Betrachters und darüber will ich gar kein Urteil fällen. Nein, der Teufel ist in diesem Fall die UEFA, die den farbenfrohen aber doch sehr stillen Protest unterbinden wollte. Meinung gerne, aber nicht während der EM. Und nur nicht anecken. Warum hatte niemand die sprichwörtlichen Eier in der kurzen Fußballer-Hose, um zu sagen: "Na , dann halt nicht. Pfeifen wir doch alle auf die Liga und bolzen lieber eine Runde auf irgendeinem Kartoffelacker."
Auch die Fans hätten ihrem Protest durch die Boykottierung der Spiele (sowohl im Stadion, als auch vor dem Fernseher) Nachdruck verleihen können, aber dass ginge dann wohl doch zu weit. Ne, da machen wir lieber das mit den Fähnchen.
Sehr inkonsequent, sehr schade. Wenn Ihr Euch aufregen wollt, dann tut das. Es ist Euer Recht. Und in diesem Fall auch durchaus angebracht. Aber bitte tut es konsequent und immer, und nicht nur, weil es gerade so in Mode ist. Menschenrechte sind nämlich kein Modetrend, dem man mal kurz folgen kann, nur um sich dann doch lieber wieder um was anderes zu kümmern.
Ich selbst habe mir keinen Ablassbrief in Form eines Regenbogens gekauft, aber ich habe auch kein Spiel gesehen. Ich beschränke mich darauf, die Menschen gleich zu behandeln und im entscheidenden Fall auch persönlich Konsequenzen zu ziehen. Manchmal muss man seine moralischen Werte halt auch leben und nicht nur zur Schau stellen. Auch wenn es weh tut und man vielleicht ein Spiel verpasst.
Lippeportal
Denkmalstr. 11
32760 Detmold
+49(0)5231-92707-0