Am 27. Januar jährte sich die Befreiung von Auschwitz zum 75. Mal. Zur gleichen Zeit standen auf Grund eines neuen Virus über 57 Millionen Chinesen unter Quarantäne und das Klima ist auch noch nicht gerettet. Aber all das musste in den Nachrichten zurückstehen, denn die Basketball-Legende Kobe Bryant kam am 26.01.20 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben.
Nicht nur der aktuelle Präsidentendarsteller der USA äußerte sich sofort in Pressemeldungen, Interviews und Sondersendungen, sondern auch der Ex-Präsident Obama, Ex-Tennisstar Haas und vermutlich auch irgendeine Ex-Schmuckdesignerin wendeten sich umgehend an die trauernde Weltbevölkerung. Für einen Moment verstummten die Sorgen um den neuen Killervirus oder das Schicksal unserer Semi-Prominenten im Dschungelcamp. Ja, es sind halt nur die wichtigen Themen, die uns umtreiben.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Helicopterabsturz ist tragisch und natürlich trauern Angehörige und auch Fans um den toten Bryant und seine Tochter, aber Sondersendungen? Echt jetzt? Und wenn dieser Tot und die ganzen Umstände so tragisch sind, waren die anderen Toten dann nur Menschen zweiter Klasse? Oder warum sprechen wir bei 9 Toten nur über den Basketball-Star und seine Tochter? Und wenn wir schon dabei sind, was ist mit den über 1.006 Menschen, die bereits in der ersten Januarwoche in den USA durch Schusswaffen getötet wurden? Auch über die 218 Verkehrstoten auf deutschen Straßen im November 2019 habe ich keine Sondersendungen gesehen.
Schön, dass erst vor kurzem ausführlich über Organspenden diskutiert wurde. Dabei wird jetzt immer klarer, dass es ein Organ ist, welches besondere Mangelware zu seien scheint, und das offensichtlich doch so wenig gebraucht wird: Das Gehirn.
Nachdenken. Erkennen, was wichtig ist. Das scheint doch (in Zeiten von wisch und weg auf dem Smartphone) zur Mangelware zu verkommen. Das eigene Leben, die eigene Familie und die eigenen Nachbarn treten in unserem Bewusstsein immer mehr zurück, hinter die großen und kleinen Katastrophen der Stars und Sternchen aus den Hochglanz-Magazinen, Live-Tickern und den Newsfeeds unserer Informationsblasen. Starkult bewegt uns mehr als wirklich relevante Themen oder gar echte Probleme, im echten Leben, vor unserer eigenen Haustür.
Wenn Sie Kobe Bryant und seine Tochter Gianna persönlich kannten und deshalb zurecht trauern, dann spreche ich Ihnen mein Beileid aus. Wenn Sie die beiden nicht kannten und trotzdem angesichts der Berichterstattung vorübergehend in tiefe Depression verfallen sind, dann sollten Sie dringend Ihre Prioritäten ordnen, oder zumindest auch einen Moment an Ara Zobayan und Christina Mauser, an John und Keri Altobelli, sowie ihre Tochter Alyssa, und auch Sarah Chester und ihre Tochter Payton denken. Das waren nämlich die anderen Opfer, über die keiner berichtet.
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