Nachdem in den letzten Tagen wirklich jede Zeitung über den "Fall Özil" berichtet hat, sich keine Talkshow dem Thema entziehen konnte, und sich wirklich jeder Ex-Fußballer, Hinterbank-Politiker und Stammtisch-Philosoph dazu äußern musste, möchte auch ich mal meinen sprichwörtlichen Senf dazu geben.
OK, Mesut Özil ist anscheinend Fan des türkischen Präsidenten und strahlte beim gemeinsamen Pressetermin mit Trikotübergabe mehr als eine ganze Horde pubertierender Girlies, die gerade Backstage ihre LieblingsBoyBand getroffen haben. Das hat nicht jedem gefallen. Muss es ja auch nicht. Na und? Aber OK, wer sonst nichts zu tun hat, kann das ja kritisieren. Und JA man kann auch der Meinung sein, dass sogar die meisten Spiele der örtlichen E-Jugend überzeugender sind, als das, was die Deutsche Nationalmannschaft bei der WM gezeigt hat. Aber auch hier die Frage: Na und? Im Nachgang kam es jetzt zum großen Knall. Die einen wettern, dass das alles nur daran liegt, weil der Özil gar kein "richtiger Deutscher" sei. Und der kontert damit, dass er nur das Opfer böser "Ausländerhasser" sei. Und die ganze Nation regt sich mit auf. Warum eigentlich? Wen juckt es, was ein Fußballer außerhalb des Spielfeldes sagt oder denkt? Wird das Spiel deshalb besser oder schlechter? Klar, die Stimmung auf dem Platz, auf den Rängen und vor den Bildschirmen wird auch von solchen privaten Schlagzeilen stark beeinflusst. Aber auch nur weil wir dem ganzen so eine Bedeutung zukommen lassen. Es ist doch nur Fußball! Oh mein Gott. Nur Fußball? Tatsächlich? Wie kann ich so was nur denken? Es tut mir leid. Ist aber so.
Ich kann diese Heldenverehrung nicht verstehen. Natürlich kann man einen Sportler für seine sportlichen Leistungen bewundern. Und natürlich kann man sich auch freuen, wenn die eigene Mannschaft gewinnt. Gerne auch gemeinsam bei Rudelgucken im Trikot. Das ist nichts anderes, als ein Rockkonzert und damit ein tolles Gruppenerlebnis. Aber warum müssen wir jeden Kicker gleich zum Helden erheben? Kein Wunder, dass man bei solcher Überhöhung, vor allem als Fan, auch mal enttäuscht wird. Es sind nur Fußballspieler. Mit Millionengehalt, Werbeverträgen, Prime-Time-Sendezeit und tollen Frisuren, aber eben nur Fußballspieler.
Helden sind für mich andere. Polizisten, die sich auch in gefährlichen Situationen für meine Freiheit einsetzen. Krankenschwestern, Kindergärtner, Lehrer, Feuerwehrleute und der Fahrer des Müllwagens. Sie alle machen mein und unser aller Leben besser. Ja, und auch Bäckerlehrlinge, die um 3 Uhr morgens meine Brötchen backen, gehören zu meinen persönlichen Helden. Egal welchen Pass oder welche Hautfarbe sie haben. Egal was sie in ihrer Freizeit treiben oder mit wem sie sich fotografieren lassen.
Mein Fazit: Darf man sich über Özil und die Diskussion aufregen? Ja, das darf man. Lohnt es sich, damit Lebenszeit zu verschwenden? Nein, es gibt Wichtigeres.
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