Lippeportal - Juli 2018

Ausbildung oder Bildungsaus?

Juli 2018

Einige beschreiben die Zukunft so, dass das arbeitslose Akademiker-Ehepaar 6 Monate auf einen 70-jährigen Handwerker warten muss. Halten Sie dieses Szenario für völlig unrealistisch? Oder ist es nur übertrieben, um eine Entwicklung zu verdeutlichen?

Manchmal könnte man glauben, dass Abitur und Studium nicht nur ein Menschenrecht ist, sondern vielmehr ein Pflichtprogramm. Gerade die bildungspolitisch engagierten Gruppen, die sich besonders für gleiche Chancen einsetzen, fordern eben nicht nur die gleichen Startchancen, sondern auch die gleichen Abschlüsse. Also akademische Bildung für Alle. Damit meinen sie es eigentlich nur gut, übersehen aber, dass wir eben nicht nur Gehirnchirurgen und Atomphysikerinnen brauchen, sondern dass vor allem das Handwerk extrem unter Nachwuchssorgen leidet. Es ist zwar schön, dass Deutschland das Land der Dichter, Denker und Ingenieure ist, aber was nutzt die Entwicklung der tollsten künstlichen Intelligenzen und der besten Maschinen, wenn diese nicht laufen, weil es keine Elektriker gibt, um die notwendigen Steckdosen zu installieren. Es ist toll, wenn wir viele Architekten ausbilden, aber ohne Maurer können wir uns dann höchstens ein Papierzelt aus den Bauplänen basteln. Eine Gesellschaft ohne Bäcker, Fleischer, Bauern, Klempner, Dachdecker und Elektriker?

Es wird Zeit, dass wirklich JEDEM klar wird, dass unser gut ausgebildetes Handwerk eben nicht ein Bildungsweg zweiter Klasse ist, sondern vielmehr das Fundament, auf dem unsere ganze Gesellschaft gebaut ist. Jedem muss es frei stehen, sich beruflich so zu entwickeln, wie er es möchte. Damit das möglich ist, brauchen wir aber nicht nur Chancengleichheit, sondern auch und vor allem die Anerkennung und Hochachtung für die scheinbar "einfachen" Berufe. Ich bin jeden Morgen dankbar, dass mein Bäcker so früh morgens aufgestanden ist, damit ich ein frisches Brötchen essen kann. Und auch nachdem ich noch soviele Bücher gelesen habe, Winkel und Flächenberechnung beherrsche und Gebrauchsanweisungen in 4 Sprachen lesen kann, würde ich bei dem Versuch eine Dachpfanne auszutauschen vermutlich in einen kurzen aber sehr heftigen Gleitflug übergehen.

Ich würde mich freuen, wenn künftig wieder mehr junge Menschen eine Ausbildung im Handwerk und in den Pflegeberufen anstreben würden, damit Deutschland eben nicht nur das Land der Denker, sondern auch das Land der Macher bleibt.

Hochachtung für jeden Menschen und seine Leistung, die leider oft unterschätzt wird. Diese Hochachtung zeigt sich eben nicht nur in einer fairen Bezahlung, sondern vor allem auch in der gesellschaftlichen Anerkennung. Würdigen wir die Menschen, die etwas tun, was wir selbst nicht können. Dann werden diese Berufe vielleicht auch wieder attraktiver. Handwerksberufe stehen für mich da ganz oben auf der Liste.

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